Donnerstag, 4. März 2010

Ich fragte mich gestern, bei der Lektüre eines Handelsblattsartikels, von welchem viel schwerwiegenderen Problem lenkt dieses Griechenlandgetöse ab?
Gerd Höhler, Ruth Berschens, Willem Buiter usw. stampfen so fest mit den Füßen, dass alle anderen Meldungen förmlich zu Buchstabensalat verkommen.
Wirklich erschreckt hat mich aber eine fast nebensächlich gemachte Äußerung Herrn Buiters: "Die Regierungen dieser Länder stehen vor der Alternative, entweder Griechenland aus der Patsche zu helfen oder ihren Banken." ??? Mit welcher Selbstverständlichkeit die Finanzwirtschaftler, Steuergelder zur Fehlerbeseitigung, der von privatwirtschaftlichen Banken gemachten Fehler, einsetzen, ist erschreckend. Da überweise ich meine Steuern doch lieber gleich an Herrn Ackermann, dann bräuchten wir dieses ganze Getöse nicht, um von diesem Umstand abzulenken.

Handelsblatt am 03.03.2010
Willem Buiter: "Ich glaube nicht, dass Angela Merkel es überstehen würde, einfach Geld nach Athen zu überweisen"
Europas Währungsunion ist nach Überzeugung von Willem Buiter, dem Chefvolkswirt der Citigroup, stark genug, um die Griechenland-Krise zu überstehen. Doch sie brauche dringend die Ergänzung durch eine Haushaltsbehörde und einen Europa-Fonds, fordert er im Gespräch mit Michael Maisch und Olaf Storbeck.
Handelsblatt: Herr Buiter, werden die Griechen letztlich Finanzhilfen der Euro-Partner brauchen?
Willem Buiter: Der größte Teil der griechischen Staatsschulden wird von Banken in der Euro-Zone gehalten. Die Regierungen dieser Länder stehen vor der Alternative, entweder Griechenland aus der Patsche zu helfen oder ihren Banken. Genau genommen heißt die Alternative: ein Bail-out für die Banken oder ein ewiger Bail-out für Griechenland und andere Länder wie Portugal und Spanien. Denn sollte Griechenland mit einem blauen Auge davonkommen, haben diese Länder große Anreize, sich ähnlich zu verhalten.
HB: Eine ziemlich vertrackte Situation, oder?
Buiter: Die Sache ist lösbar, solange keiner den Verstand verliert. Die Griechen wissen nicht, wie hoch sie pokern können, und die EU weiß nicht, welche Auflagen sie verlangen kann, ohne dass das politische System Griechenlands zusammenbricht. In solch einem unsicheren Umfeld können immer Betriebsunfälle passieren. Aber ich halte die Wahrscheinlichkeit für sehr gering. Ein Staatsbankrott wäre genau das: ein vermeidbarer Betriebsunfall.
HB: Aber einer, der einen fatalen Dominoeffekt auslösen könnte.
Buiter: Ich glaube nicht. Griechenland hat viel größere Probleme als die anderen Länder - schon in Spanien und Portugal ist die Lage längst nicht so ernst, erst recht nicht in Italien und Irland.
HB: Was sollte die EU langfristig aus der Griechenland-Krise lernen?
Buiter: Die zentrale Lektion ist: Eine Währungsunion ohne eine gewisse Form der politischen Union funktioniert nicht. Das war von Anfang an klar: Die Euro-Zone braucht eine Haushaltsbehörde, die Ländern wie Griechenland unter strengen Auflagen helfen kann. Sie muss die Kompetenz haben, Steuern zu erheben, Kredite aufzunehmen und in die Haushaltspolitik der Mitgliedstaaten einzugreifen.
HB: Wird die Währungsunion die Krise überstehen?
Buiter: Mein wahrscheinlichstes Szenario sieht so aus: Griechenland wird geholfen, aber unter so harten Auflagen, dass die Geberländer zufrieden sind. Das Sparprogramm fällt nicht so hart aus, dass die griechische Regierung kollabiert. Dieses Hilfsprogramm nutzt die EU als Muster für künftige ähnlich gelagerte Fälle. Später könnte man dann eine Art Fonds gründen, in den die Mitgliedsländer einzahlen.
HB: Welche Aufgabe würde der Fonds wahrnehmen?
Buiter: Er würde im Notfall Hilfen für finanziell angeschlagene Mitglieder der Währungsunion bereitstellen. Die Vergabe der Mittel wäre an harte Bedingungen wie Sparauflagen geknüpft. Der nächste, schwierige Schritt wäre es, dem Fonds zu erlauben, seine eigenen Einnahmen zu generieren und sich selbst Geld an den Märkten zu leihen.
HB: Und welche Einnahmen haben Sie im Sinn?
Buiter: Eine Art europäische Grundsteuer wäre am effektivsten. Aber es gibt andere Möglichkeiten: Einkommensteuer, Immobiliensteuer, Mehrwertsteuer. Wichtig ist, dass die Abgabe der europäischen Haushaltsbehörde untersteht und vom Europäischen Parlament und Europäischen Rat kontrolliert wird.
HB: Steht nicht eher zu befürchten, dass die Politiker Griechenland ohne strenge Auflagen helfen?
Buiter: Diese Gefahr existiert natürlich. Aber ich halte so eine Entwicklung für unwahrscheinlich. Das wäre der politische Tod für jede Regierung der solideren Länder. Ich glaube nicht, dass Angela Merkel es überstehen würde, einfach Geld nach Athen zu überweisen statt nach Hannover oder Leipzig.
HB: Also führt der Weg unausweichlich in Richtung europäische Haushaltsbehörde?
Buiter: Ja, aber der Prozess wird nur langsam voranschreiten. Das Muster für künftige Rettungsprogramme in der Euro-Zone könnten wir noch in diesem Jahr bekommen, den Fonds vielleicht 2011. Der schwere Teil, die Hoheit, Steuern zu erheben und sich Geld an den Märkten zu leihen, dürfte fünf bis zehn Jahre benötigen.